Was mir im aktuellen literarischen Schaffen aus der Schweiz auffällt: alles dreht sich um Familienbande und Beziehungsmuster. Offenbar hat der Covid-bedingte Rückzug ins Private bei den Schreibenden Spuren hinterlassen. Drei Bücher, die herausstechen.
«Mehr als ein Leben» von Milena Moser
Wenn eine Tochter die Wahl hätte zwischen zwei Familienleben. Für welches würde sie sich entscheiden? Raffiniert erzählt Milena Moser zwei Versionen eines Lebens zwischen der Schweiz und den USA. Und natürlich spielt die Liebe und die Entscheidungen für und gegen sie eine wegweisende Rolle. Ein Buch, das gerade, weil es von der traurigen Banalität des Alltags erzählt, Lust macht, die eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen.
«Mein Onkel» von Rebecca Gisler
Ein Efeuhaus am Meer in der Bretagne. Ein Onkel, eine Nichte und ein Neffe. Die drei leben unter einem Dach, zurückgezogen wie Einsiedlerkrebse. Die Nichte beobachtet ihren Onkel, der dreissig Jahre lang allein gelebt und als Gärtner seine Eigenarten kultiviert hat. Rebecca Gislers Nahaufnahme einer etwas schrägen Familien-WG rührt an. Die Autorin beschreibt ihre drei Sonderlinge in fliessend-klingenden, langen Sätzen. Und weil man Sonderlinge nicht so schnell vergisst, wird man auch dieses Debüt nicht vergessen.
«Die Dinge beim Namen» von Rebekka Salm
1984 in einer Winternacht. Sandra, 16, wird von einem Jungen bedrängt. Auch 35 Jahre danach ist dieser sexuelle Übergriff mit seinen Nachwirkungen immer noch Thema im 500-Seelen-Dorf. Doch «manchmal war eine Geschichte komplexer als die Geschichten, die man sich darüber erzählte, es erahnen lassen würden». In ungemein treffenden Sätzen zeichnet Rebekka Salm das Portrait einer Dorf-«Grossfamilie» und lüftet ein dunkles Geheimnis nach dem anderen. Denn die Leben der Dorfbewohner sind unheilvoll miteinander verbandelt... Im nächsten Blog werde ich euch das Buch im Detail vorstellen.
Die Bücherliste
- Milena Moser: «Mehr als ein Leben» (Kein & Aber, 2022)
- Rebecca Gisler: «Mein Onkel» (atlantis, 2022)
- Rebekka Salm: «Die Dinge beim Namen» (knapp, 2022)
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