«Frau Shibatas geniale Idee» von Emi Yagi ist die vergnügliche Geschichte einer jungen Frau, die eine Schwangerschaft vortäuscht, weil sie genug hat von der japanischen Arbeitswut.
Frau Shibata, 34, schuftet als einzige Frau in einer Firma, die Papierrollen herstellt. Ihre Arbeitstage sind stressig. Ihre To-Do-Listen ellenlang. Und wenn jemand zum grossen Workload auch noch Cafétassen mit Kippen wegräumen muss, dann ist sie das als Frau. Das hat Frau Shibata satt. Als sie mal wieder diese ekligen Kippen entsorgen muss, findet sie eine Ausrede. «Von Kaffeegeruch wird mir schlecht und von Zigarettenqualm auch. Ich bin schwanger.» Mit dieser Lüge ändert sich innert Jahresfrist alles.
Daumen rauf
- Befreiend. Während 9 Monaten durchläuft Frau Shibata einen Transformationsprozess, der ihr neue Perspektiven eröffnet. Sie beginnt auf sich zu achten, sich gut zu kochen, ihre Freizeit zu geniessen. Sie bricht aus ihrer Einsamkeit aus, trifft andere schwangere Frauen, fühlt sich frei und findet neue Lebensfreude.
- Rebellisch. Mittels einer Lüge gelingt es Frau Shibata aus der patriarchal geprägten, japanischen Leistungsgesellschaft auszubrechen. Damit ist sie anderen Frauen ein Vorbild. «Du erschaffts dir einen Ort für dich selbst, auch wenn er nicht wirklich ist. Bloss eine kleine Lüge, in die ein einziger Mensch passt. Solange du diese Lüge verinnerlichst und immer wieder heraufbeschwörst, trägt sie dich vielleicht an einen Ort, mit dem du nie gerechnet hast. Und, wer weiss eventuell verändern du und die Welt sich in der Zwischenzeit sogar ein wenig.»
- Konsequent. Emi Yagi erzählt Frau Shibatas Schwangerschaft in Form von wöchentlichen Tagebucheinträgen. Der Roman beginnt bei Woche fünf und endet zwölf Monate nach der Geburt. Diese persönliche Herangehensweise führt dazu, dass ich Emi Yagis Heldin wie eine Freundin kennenlerne.
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Zauberhaft. Der magische Realismus der Autorin verwischt Wunschdenken, Imagination und Wirklichkeit. Das wird von einer ruhigen, klaren, unaufgeregten Sprache begleitet, die
auf den Moment ausgerichtet ist und gerade dadurch Tiefe entwickelt. Und genau das mag ich an der Literatur aus Japan!
Daumen runter
Nur 204 Seiten...
Die Autorin
Emi Yagi wurde 1988 geboren und gilt als der Shootingstar der japanischen Literaturszene. «Frau Shibatas geniale Idee» ist ihr erster Roman. Er wurde bereits vor seiner Veröffentlichung in Japan mit dem renommierten Dazai Osamu Prize ausgezeichnet.
Das Buch: Emi Yagi: «Frau Shibatas geniale Idee» (Atlantik, 2021). Aus dem Japanischen von Luise Steggewentz.
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